„Ja, ja… Die Kleinsten haben die größte Klappe!“

Diesen oder ähnliche Sprüche hat wohl fast jeder Halter einer kleinen Hunderasse schon mal zu hören bekommen. Schaut man sich in der großen, weiten Welt um, dann haben diese Aussagen durchaus ihre Berechtigung. Aber warum ist das so?

Schlicht und einfach weil die Zwerge gelernt haben, dass dieses Verhalten das Einzige ist, was ihnen weiterhilft. Ganz anders wie oft vorgeworfen wird, hat das meistens nichts mit fehlender Erziehung zu tun, sondern ist ein Produkt davon, dass kleine Hunde einerseits nicht ernst genommen werden und andererseits wie große Hunde behandelt werden. Ein Widerspruch? Lassen Sie mich erklären, wie ich zu dieser Aussage komme.

Kleine Hunde haben die gleichen Bedürfnisse wie große und genau deshalb sollte man sie auch ernst nehmen.

Nehmen wir einen sechs Monate alten Chihuahua. Dieser ist ständiger Begleiter von seinem Fraule, die alles in der Erziehung von dem kleinen Kerl richtig machen möchte. Er soll absolut kein Kläffer werden und mit großen Hunden gut klar kommen. Fraule ist mit dem Chihuahua auf einer beliebten Gassi-Strecke unterwegs. Den beiden kommt eine Frau mit einem jungen Labrador entgegen. Alle sind ohne Leine unterwegs. Der Labrador stürmt in freudiger Erwartung eines Spielkumpanen auf den Chihuahua zu. Dieser hat sich schon einige Schritte hinter Fraule fallen lassen, er schließt zu ihr auf und springt jetzt an deren Bein hoch. Fraule meint aber, dass der Zwerg sich mit großen Hunden auseinander setzen muss und ignoriert ihn. Der Chihuahua zeigt Meideverhalten, während der Labrador seine Schnauze unter dessen Po schiebt und somit kurzerhand den kompletten kleinen Hund in die Luft hebt. Dieser beschwichtigt ohne Ende und letztendlich bleibt ihm nur die Flucht. Der Labrador freut sich über die Aufforderung zum Spiel und setzt dem Zwerg nach. Die Menschen bekommen davon nichts mit, sind sie doch so tief ins Gespräch über ihre süßen Hunde Babys vertieft. Dem Chihuahua bleibt nichts anderes übrig, als zu knurren. Die Menschen lächeln vielleicht noch über diesen größenwahnsinnigen Zwerg. Nach geraumer Zeit gehen alle wieder ihres Wegs. Und schon haben wir die beiden Punkte: der Chihuahua wird wie ein großer Hund behandelt und deshalb trotz des Ungleichgewichts von Größe und Temperament nicht hochgehoben, gleichzeitig wird sein Knurren nicht ernst genommen.

Was lernt der kleine Hund dabei? Von Fraule kann er keine Hilfe erwarten. Die hat nämlich sein Unbehagen, als er nicht weitergelaufen ist, nicht bemerkt, geschweige denn ist sie darauf eingegangen, als er bei ihr durch das Anspringen Schutz gesucht hat. Die Beschwichtigungssignale wurden weder von dem stürmischen Labrador noch von seinem Fraule wahrgenommen. Auf sein Knurren zeigte vielleicht der andere Hund kurzzeitig eine Distanzvergrößerung, aber die Menschen gingen nicht direkt darauf ein bzw. war der Smalltalk beendet und Fraule machte sich in entgegengesetzte Richtung auf den Weg und so entkam der kleine Kerl dem Labrador. Die Verknüpfung in seinem Kopf ist also ganz klar – er muss deutlich zeigen, wenn ihm was zu viel ist. Häufen sich solche Situationen, hat man bald einen Hund, der von weitem andere Hunde „anschreit“, dass sie ihm ja nicht zu nahe kommen sollen.

Bekommt ein kleiner Hund Schutz durch Herrle oder Fraule wird er deswegen nicht die „Weltherrschaft“ an sich reißen. Ganz im Gegenteil – er lernt, dass er sich auf seine Menschen verlassen kann.

Bei uns Zuhause ist es tatsächlich auch so, dass unser Barney (Chihuahua mit 2 kg) derjenige ist, von dem am häufigsten ein Knurren zu hören ist. Kommt zum Beispiel unsere Nachbarin an den Gartenzaun, möchte jeder von unseren Dreien von ihr gestreichelt werden. Die freudige Aufregung ist groß und es wird am Zaun hochgesprungen. In dieser Situation knurrt der Barney schon mal. Das ist aber nicht, weil er besonders „dominant“ oder gar der „Rudel Chef“ ist, sondern einfach nur deswegen, weil Matteo und Emma ihn dabei anrempeln. Er drückt damit also aus „Hey, vorsichtig! Ich bin auch da!“. Bei einem Unterschied von knapp 10 kg ist das durchaus berechtigt. Rempelt die Emma den Matteo an, ist das für diesen ein kleiner Schubs. Für den Barney kann das unter Umständen aber richtig schmerzhaft sein. Stellen Sie sich vor, Sie leben mit einem Elefanten zusammen. Sie sind richtig gut befreundet und verstehen sich blendend. Wenn Sie aber gleichzeitig wie der Elefant durch eine Tür rennen möchten, weil draußen eine leckere Torte steht müssen Sie sich unter Umständen bemerkbar machen, um nicht unter dem Elefanten begraben zu werden.

Ziemlich beste Freunde – mit der richtigen Anleitung von Herrle und Fraule gibt es keine Probleme zwischen Klein und Groß.

Kleine Hunderassen sind körperlich einfach unterlegen. Sind die Menschen dann noch gefangen im „Rudel-Dominanz-Denken“, dann müssen sie für sich selbst eine Lösung finden. Diese fällt oft unter das Motto „Angriff ist die beste Verteidigung“.

Verstehen Sie mich bitte nicht falsch! Kleine Hunde sollen wie Hunde behandelt werden und brauchen nicht „verhätschelt“ zu werden, aber eben bedarfsgerecht. Nebenbei gesagt, brauchen auch Hunde großer Rassen keine solchen Begegnungen mit Artgenossen, die oben genannter ähnelt. Oft haben Hundehalter noch viel zu sehr den Gedanken, dass Hunde Dinge untereinander klären müssen. Das ist gänzlich falsch! Jeder der sich entschieden hat, sein Leben mit einem Hund zu teilen, trägt für dieses Wesen die Verantwortung und muss für dessen Schutz sorgen. Weder befreundete Hunde, noch solche die als Gruppe in einem Haushalt leben, sollten von ihren Menschen in konfliktträchtigen Momenten allein gelassen werden (siehe mein Beispiel am Gartenzaun – hier bin ich gefragt, die Aufregung zu minimieren). Fremde Hunde haben untereinander erst recht nichts zu klären. Warum sollten sie denn auch?

Falls Sie sich und Ihren Umgang mit Ihrem Hund in diesem Artikel oder einer ähnlichen Situation erkennen, dann grämen Sie sich bitte nicht. Knuddeln Sie Ihren Hund und versprechen ihm, dass ab sofort solche Dinge nicht mehr passieren. Es ist nie zu spät, etwas zu ändern!

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